Los Brandos

Blue Rose Records - 2017

Cover Art

Tracklist:

  1. Señor Coyote
  2. Querer a Los Niños
  3. Suffer in Silence
  4. Woodstock Guitar
  5. Jacinto Chiclana
  6. Maligna Presencia
  7. What Kind of a World
  8. Bella Encantadora
  9. These Troubled Times
  10. A Todo Dar

Credits:

Dave Kincaid (voc, g, banjo, mandolin, b, keys programming), Tommy Goss (dr), Frank Giordano (g, voc), Marta Gomez (voc on Jacinto Chiclana)
Produced and Arranged by Dave Kincaid

Versions:

Blue Rose Records - 2017 - CD Digipack / LP

Reviews

WEB-FUNDSTÜCKE

Dave Kincaid hofft auf die bessere Welt

Die Brandos haben nach elf Jahren Pause wieder ein Album am Start: Dave Kincaid klingt – ob er auf „Los Brandos“ nun auf Spanisch oder Englisch singt – immer noch wie ein singender Werwolf. Und mahnt in den zeitkritischen, sehr persönlichen Liedern die Ideale der Woodstock-Generation an.

„Ich kann nicht mehr weiter, Senor Coyote!“ sagt der erschöpfte Mexikaner auf dem quälerischen Marsch. „Zur Hölle damit, Mann!“, gibt der Schleuser zurück. „Du wolltest über die Grenze – ja oder nein? Wär’s nicht um des Geldes willen, würde ich dich den Bussarden überlassen.“

Von Schleusern und Illegalen

Dave Kincaid schickt zwei Leute durch einen bitteren Song. Einen Mann, der vor Angst und Strapazen fast vergeht, der sein eines Leben schon in der Wüste zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten von Amerika enden sieht. Und den anderen, der sich jeden Tag mit illegalen Einwanderern auf dem Weg in die USA macht. Der mit keinem seiner Schützlinge eine Verbindung hat, für den sie wandelndes Geld sind, der an ihrem Elend verdient. Dave Kincaid singt die Zeilen auf Spanisch (wie gut die Hälfte der Lieder hier). Die Gitarre twangt mit viel Echo.„Senor Coyote“ heißt das zeitkritische Stück, das „Los Brandos“ eröffnet, das erste Studioalbum der Brandos seit elf Jahren, das zweite in beinahe zwei Dekaden. Gut Ding will manchmal unerträglich viel Weile haben.

Der Geist von Woodstock wird beschworen

In „Woodstock Guitar“ geht Kincaid die Straße des Rock’n’Roll entlang, „die Dylan und Van (Morrison) und The Band“ zuvor beschritten haben. Er findet in einem Instrumentenshop am Weg eine alte „Woodstock Guitar“ und befreit mit ihr die Geister des August 1969, als Rock jung war und eine Generation „ihre Faust gemeinsam in den Himmel reckte“ - für Frieden, gegen Krieg in Vietnam. Der Gedanke der Jungen von damals, mit der Musik die Welt zu verändern, wird neu herauf beschworen. Kincaid verneigt sich vor den Ikonen, die damals „donnerten und tobten“ und „uns für immer veränderten“. Indes muss er auch feststellen, dass auf der Straße nach Woodstock die Relikte von damals verwittern, die Erinnerungen blasser werden. Ein traurigschöner Song, der mit einer spanischen Akustikgitarre beginnt, dessen leidenschaftliches E-Gitarrensolo hörbar Jimi Hendrix Ehre erweist. Der hatte in den letzten Stunden des Woodstock-Festivals den „Star Spangled Banner“ elektrisch verzerrt – die politischste aller Instrumentalnummern.

Vieles klingt, als sei es in den ersten Trump-Monaten entstanden

Vieles an diesem Album wirkt, als sei es in den Monaten seit der Übernahme des Weißen Hauses durch Donald Trump entstanden und als sei es Material für die laufende Anti-Trump-Rock’n‘Roll-Kampagne „1000 Days, 1000 Songs“. „Wir verneinen das Recht von egal wem, die Welt mit Hass und Angst zu beherrschen“, singt Kincaid in „These Troubled Times“, einem sumpfig stampfenden Rocker, der indes schon 2014 geschrieben wurde. „Kann irgendwer heute noch Johns Worte hören?“ fragt er, und erinnert an den „weisen Mann“ John Lennon, an dessen Songs „Give Peace a Chance“, „Imagine“ und an das Pop-Credo „All You Need is Love“ der Beatles. Der Sänger will das alles nicht verloren geben: Mag sich die Hoffnung, der letzte und einzig gute Insasse von Pandoras böser Büchse, derzeit auch noch so klein machen am Büchsenboden, man glaubt an sie, gilt sie doch als quasi unsterblich.

Eine bessere Welt für die Kinder

Wahrscheinlich sind es private Gründe, die dieses Album so politisch werden ließen. Kincaid, inzwischen 60 Jahre alt, ist heute Vater eines kleinen Sohnes, und ihm würde er gern eine bessere Welt hinterlassen als die jetzige. Davon kündet er im folkigen „What Kind of a World“. Er habe geglaubt, der ganze Irrsinn der Kriegstreiberei sei Vergangenheit und müsse nun feststellen, dass ein einzelnes Menschenleben auf der Welt weniger zähle denn je. Kein Quadratzentimeter mehr auf Gottes Erdboden, der nicht von Blut getränkt sei. Und wieder nimmt er Bezug auf die Musik von Gestern, auf den Text von Joni Mitchells „Woodstock“. „Wie kann das sein, wo wir doch Sternenstaub sein sollen. Und wenn wir golden sind, wie können wir das alles hinnehmen?“ Auch hier ist die Hoffnung nicht verloren, verpflichtet Kincaid die Welt zu einem „Triumph des Guten“. Zweifel bleiben ihm dennoch: „Mögest du eines Tages ein eigenes Kind haben, mögest du mit deiner Familie in Frieden leben und möge der Tag niemals kommen, an dem dir eine Waffe in die Hand gedrückt wird“, wünscht er seinem Sohn. In „Querer a Los Ninos“ (gut die Hälfte der Songs sind in spanischer Sprache) wendet er sich dann zu düster schwingenden Gitarrentönen ganz konkret gegen Kindesmissbrauch in den Familien.

Kincaid klingt immer noch nach Werwolf

Kincaid ist längst allein The Brandos, der Songwriter ist die einzige personelle Konstante der Band. Und seine Stimme ist nach wie vor das Trademark im Brandos-Sound. Er klingt immer noch wie damals, 1993, als das Debüt „Honor among Thieves“ bei der Hannoverschen Plattenfirma SPV erschien, auf dessen Cover Kincaid aussah wie ein Rock’n’Roll-Gent aus dem Süden, als er die dramatische Geschichte seines Ururgroßvaters und die tragische der Bürgerkriegsstadt „Gettysburg“ besang. Bis heute erinnert diese Stimme an John Fogerty und dessen Band Creedence Clearwater Revival, auch Kincaid singt immer noch ganz werwölfisch rau, wie einer, der sich morgens mit Bourbon den Rost aus der Kehle gurgelt. Ganz sanft und romantisch kann er aber auch, wenn er etwa Astor Piazzollas und Jorge Luis Borges‘ Moritat von „Jacinto Chiclana“ erzählt.

Das Comeback dieser Band, die in Amerika nur kurze Zeit groß war, sich aber in Europa, speziell in Deutschland und den Niederlanden eine stattliche Fanbasis behalten hat, ist jetzt geglückt. Nur hätten wir ab jetzt bitte mehr Brandos-Musik in deutlich kürzeren Abständen! Das haben wir jedenfalls der kleinen, zusammengekauerten Hoffnung ganz unten in Pandoras Büchse geflüstert.

Review vom 02.07.2017
geschrieben von Matthias Halbig / RND
Gefunden bei: www.maz-online.de

WEB-FUNDSTÜCKE

Satte elf (!!) Jahre nach dem letzten Studioalbum der New Yorker Rockband The Brandos erlöst Dave Kincaid die dürstende Fan-Gemeinde mit einer neuen Scheibe. Waren bei den ersten fünf Alben noch vermehrt Einflüsse aus dem Irish Folk tonangebend, änderte sich dieser Umstand mit genanntem Vorgänger "Over The Border" 2006 grundlegend, denn diese Platte tendierte stark in Richtung Tex Mex. Vielleicht hatte Kincaid das Thema irland für sich abgearbeitet, schließlich veröffentlichte er 1998 und 2001 noch zwei Soloalben, die reinen Irish Folk enthielten und textlich die Unabhängigkeitskriege thematisierten, als die USA von irischen Einwanderern unterstützt wurden, den sogenannten Irish Volunteers! Mittlerweile sind diese beiden Scheiben gesuchte Raritäten, das aber nur am Rande.

Jedenfalls ist das neue Brandos Scheibchen eine logische Fortführung von "Over The Border", das sogar fünf Songs enthält, die in spanischer Sprache gesungen werden. Meiner Meinung nach braucht "Los Brandos" ein paar Durchgänge mehr um zu zünden, wenn sich auch an dieser großartigen, ja einzigartigen Stimme Kincaids nicht geändert hat. Auch thematisch ist es eine Art Fortsetzung, Kincaid setzt sich vermehrt mit der Ausbeutung der Azteken in Mexiko auseinander, weshalb die Folk Einflüsse und die spanischen Texte nur konsequent sind. Auch beim Cover wird das dokumentiert, denn es handelt sich um ein Gemälde eines mexikanischen Künstlers, das einen aztekischen Adlerkrieger zeigt. Ein Thema bei den Fans ist ja immer die Besetzung, doch auch diesmal ist sein Freund und Helfer bei der Produktion Frank Gordano wieder mit an Bord, bei der zur Zeit stattfindenen Tour übrigens ebenso. "Los Brandos" ist größtenteils ein rockiges Album geworden, das insgesamt zehn neue Songs bietet.

Die Band ist vom ersten Ton an einwandfrei zu identifizieren, man hat halt seit 1987 den unverkennbaren, eigenen Stil gebildet. Und genau wie früher die irischen Einflüsse passen meiner Meinung nach die Tex Mex Folk-Sounds sehr gut zur Gruppe, was auch für die spanischen Texte gilt. Gänsehaut erzeugt die Ballade "Jacinto Chiclana", die Dave zusammen mit einer mir unbekannten Sängerin (Anm. NoZo: Marta Gomez) zum Besten gibt. Mit "What Kind Of A World" befindet sich lediglich ein zweites sehr ruhiges, nur mit Akustikgitarre begleitetes Lied auf der Platte. Der Rest ist wie gesagt flotte melodische und für diese Band typische Rockmusik. Die Gute Laune- Abschlussnummer "A Todo Dar" würde man gut und gerne mit ein paar Gläsern Tequila begießen.

Review vom 01.06.2017
geschrieben von Peter Hollecker
Gefunden bei: www.myrevelations.de

WEB-FUNDSTÜCKE

Der Titel „Los Brandos“ deutet schon an, wohin die Reise geht: in den Süden, denn es fällt sofort auf, dass mehr als die Hälfte der Songs in spanischer Sprache gesungen sind. Aber, um es vorweg zu nehmen, am Stil hat sich nichts geändert. Vielseitig, geradlinig, kraftvoll, melodisch und klug strukturiert marschieren die Songs daher. Zwei straighte Rocker bester Tradition eröffnen das Album: „Senor Coyote“ mit einem brandaktuellem Thema: Schlepper schleusen für viel Geld Mexikaner in die USA. „Querer A Los Ninos“ behandelt Kindesmissbrauch in jeder Form und in jedem Land. Die Rockhymne „Suffer In Silence“ beeindruckt neben der wie immer ausdrucksstarken Röhre des Meisters mit bester Gitarrenarbeit. Akustisch und balladesk wird „Woodstock Guitar“ eingeleitet, um bei den Refrains in ein elektrisches Gewitter überzuleiten, dazwischen und beim Ausklang wieder leise und langsam. Großes Kino!

„Jacinto Chiclana“ ist ein romantisches Liebeslied von Astor Piazzola, unterlegt lediglich von spanischen Gitarren und Geigen. David Kincaid singt im Duett mit einer gewissen Marta Gomez, die über eine wunderschöne Stimme verfügt, die sich sehr interessant mit den krächzenden Vocals Kincaids ergänzt. Spanisch und rockig geht’s mit „Maligna Presencia“ weiter, eine Hymne wie zu den besten Zeiten der Band, aber halt auf spanisch.

Der typische Folksong darf natürlich auf keinem BRANDOS Album fehlen: „What Kind Of A World“, sehr sparsam instrumentiert, aber sehr eindrucksvoll! „Bella Encantadora“ ist wieder elektrisch und nur leicht im Tempo etwas schneller mit schönen Melodiebögen. „These Troubled Time“ ist ein dynamischer Song, der nahtlos an die Klassiker der frühen Jahre anschließt. „A Todo Dar“, ein Latino Hit von 1955, komponiert von Ignacio Jaime (ich kenne ihn natürlich nicht), ist ein Rausschmeißer im wahrsten Sinn. Ein fröhlicher, lauter Stampfer, der textlich im Kontrast zu den eher sonst düsteren Themen steht.  

Was bleibt unterm Strich? Ich habe mich bald an die spanische Sprache gewöhnt, es hat, verbunden mit der ausdrucksstarken Stimme Kincaids gewisse Reize, daher mein Fazit: Für Fans ein Muss, für Anfänger seien die ersten Alben oder die gelungene Best Of Scheibe „Contribution“ empfohlen.

Review vom 15.06.2017
geschrieben von Wolfgang Kelz
Bewertung: 4.5 / 5.0
Gefunden bei: www.stormbringer.at

WEB-FUNDSTÜCKE

Auszug:
Als 1994 „The Light Of Day“ von THE BRANDOS erschien, war ich der amerikanischen Band, die eigentlich sehr irisch klang, was wohl auch an den irischen Wurzeln des Bandgründers DAVID KINCAID lag, sofort verfallen. Diese Mischung aus straighten Rock-Songs mit jeder Menge Folk-, Blues- und Country-Momenten sowie sehr zeitkritischen Texten nahm einen sofort gefangen. Insgesamt sechs Alben, die sich immer wieder neue erfanden und zwar typisch nach THE BRANDOS, aber doch immer wieder etwas anders (aber leider nicht immer besser) klangen, erschienen in der Zeit von 1987 bis 2006. Dann kehrte Ruhe um die Band ein, in deren Namen sich die Begeisterung für den Schauspieler MARLON BRANDO widerspiegelte.

Ein kleines Wunder und zugleich große Überraschung, dass zehn Jahre Später THE BRANDOS mit „Los Brandos“ aus der Versenkung auftauchen und noch jede Menge weitere Musik-Überraschungen mit im Gepäck haben. Denn schon der Titel in spanischer Sprache verrät uns, dass wohl diesmal auch südländisches Flair in ihre Musik einziehen wird.
Wer bitte hätte das erwartet?

Doch nicht nur der Titel des Albums, an dem Kincaid seit Anfang 2015 über zwei Jahre arbeitete, gleich die Hälfte aller Songs ist in Spanisch gesungen und auch die Auswahl der Instrumente ist außergewöhnlich vielfältig. Wer hier auf die stark rockigen Anfangszeiten von THE BRANDOS wartet, der wird bei den ersten beiden Titeln noch rundum befriedigt, danach aber größtenteils etwas enttäuscht sein – eine Enttäuschung, welche sich im Grunde auf Vorurteilen oder eine falsche Erwartungshaltung aufbaut, auch wenn man ehrlich zugeben muss, dass eine echte Übernummer wie beispielsweise „Gettysburg“ oder der urige Blues von „The Hangin‘ Tree“ auf „Los Brandos“ nicht zu finden ist.

THE BRANDOS von 2017 klingen eben bei Weitem nicht mehr so rockig wie die Band, als die sie vor über 30 Jahren begann. Viel ruhigere, melancholische, melodiösere und offensichtlich südländische Elemente sind in ihre Musik eingezogen, ohne allerdings das Rockige zu verleugnen, doch schon dass Kincaid mit seiner gewohnt rauen, überall heraushörbaren Stimme neben englischen auch spanische Texte intoniert, ist eine großartige, weil unerwartete Idee. Selbstverständlich müssen darum auch jede Menge akustische, spanische Gitarren auftauchen.

Auch seine sozialkritische Ader hat Kincaid behalten und so eröffnet das Album mit „Senor Coyote“ als eine bitterböse Kritik an der inhumanen Schleuserei an der Grenze zwischen Mexiko und den USA, während das folgende „Querer A Los Ninos“ ebenso scharf das Thema Kindesmissbrauch aufgreift. Da die spanischen Texte immer eine zusätzliche englische Erläuterung im Booklet enthalten, ist es zum Glück kein Problem, auch die Hintergründe hinter jedem Text zu verstehen.
Einer der traurigsten Songs wird allerdings in englisch vorgetragen: „Suffer In Silence“. Ähnlich ruhig und nachdenklich sowie akustisch klingt auch der folgende Song „Woodstock Guitar“, in dem anhand einer Gitarre der 1969er-Geist von Woodstock heraufbeschworen wird.

Besonders bewegend ist auch die Ballade „What Kind Of A World“, in der sich Kincaid direkt an seinen vierjährigen Sohn wendet und sich in bedauerndem Ton für das Unheil, was wir den Kindern auf der Welt hinterlassen, entschuldigt und mit dem großen Wunsch nach Frieden endet, damit niemals der Tag anbricht an dem: „And may the day never come / When you must take up a gun / That‘s my fervent wish for you / My little son.“ [...]

[...] FAZIT: Nach zehn Jahren Pause sind THE BRANDOS zurück und überraschen erstmals mit einer ausgiebigen Kombination aus spanischen und englischen Texten, die nach wie vor sehr kritisch den Finger auf die Wunden unserer Zeit legen, wobei der straighte Rock zwar nicht zu kurz kommt, aber viel Südländisches und Ruhiges ihm ein wenig den Rang ablaufen. In jedem Falle ist „Los Brandos“ ein würdiger Nachfolger von „Over The Border“ geworden.

Review vom 09.06.2017
geschrieben von Thoralf Koß
Bewertung: 11 / 15
Gefunden bei: www.musikreviews.de